Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 2. März 2012

Marie-Claire Lambotte MANIE /in: Kaufmann, Pierre, L'apport freudien, pp. 296

Es ist also nicht nur gestattet, sondern sogar geboten, eine analytische Aufklärung der Melancholie auch auf die Manie auszudehnen. Freud, T.u.M.
Marie-Claire Lambotte
MANIE /in: Kaufmann, Pierre, L'apport freudien, pp. 296

La Manie n'a pas d'autre contenu que la mélancholie.“ (Freud, Trauer und Melancholie)

Hervorgebracht in Berührung mit der manisch-depressiven Psychose und der Melancholie, bildet die Manie die invertierte Phase dieser beiden Erkrankungen, die man mit Freuds Figur eines „Triumph des Ich“ benennen könnte. Ganz im Gegensatz zum depressiven Zustand präsentiert sich die Manie als Zustand der Exaltation des Kranken, der sich sehr für alles,
[297]
was vor seinen Augen geschieht, interessiert, ohne sich dabei auf ein besonderes der Individuen oder Dinge konzentrieren zu können. Die Ideen fliegen eine um die andere vorbei, ohne sich von der Aufmerksamkeit meistern zu lassen (suite incessante d'idées), eine um die andere und ohne Distinktion. Es war Binswanger, der in einer Artikelserie (erschienen in Archive suisses von 1931-1933) die fuite des idées als Kernsymptom der Manie herausgearbeitet hatte,
Gemeinsam mit dem melancholischen Subjekt erweckt das manische den Eindruck jener „Nivellierung“ von Dingen wie Menschen, manque de relief, Devitalisierung der Welt – in jener Geschwindigkeit und Beliebigkeit (volatilité) von einer zur anderen Idee, ohne einer beliebigen einen bestimmten Wert beizumessen. Mit anderen Worten, während es scheint, es (S) sei an allem interessiert, interessiert es sich in Wirklichkeit für ganz und gar Nichts, lässt die Assoziationen nach einer regressiven Logik (Gleichklänge, Kontigenzen) aufeinander folgen.

Ohne Zweifel ist diese Labilität der Aufmerksamkeit der Ähnlichkeit geschuldet, die der manische Rapport mit dem melancholischen aufweist: das Besetzungsobjekt kann nicht in eine veritable (véritable) Verbindung mit dem Sujet de Manie eintreten, sondern erledigt dies in einer Art „Kontaktbulimie“ (boulimie de contacts), innerhalb derer sich einer vom anderen nicht hinreichend abheben//unterscheiden kann. 

Auch die Manie, wenn man sie hier als eine Verlängerung der Melancholie ansehen möchte, bietet keine Auf/lösung, sondern vielmehr eine Variante des gleichen psychopathologischen Komplexes, dessen Originalität auf einen Effekt der „Befreiung des Ich“ beruht.1
1„maîtriser ou écarter le complex princ. de la mélancholie“ (Aktivum vom Übers.)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen